Das „Schwarze Buch“

August 3, 2021 Off By BlauerEngel

In dem würden wir unsere Mühle auch gerne finden, nicht nur in einem Nebensatz erwähnt und in einer Zeichnung von 1880 abgebildet. Das „Schwarze Buch“ ist die Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland, in unzählige Bände aufgeteilt, und listet alle unter Denkmalschutz stehenden Bauten in Deutschland. Und weil die Schlagmühle da endlich mit Foto und ausführlicher Beschreibung rein soll, haben wir letzte Woche viel Zeit darauf verwendet, an das Amt für Bauen und Umwelt des Vogelsbergkreises und das Landesamt für Denkmalpflege zu schreiben. Dutzende Fotos und zwei ausführliche Beschreibungen der Schlagmühle liegen dort jetzt vor und nun heißt es… warten.

Und weil wir nichts verändern (nur freilegen) dürfen, bevor eine Entscheidung gefallen ist, haben wir erst einmal Baustopp. Aber, unter der Hand – es scheint nicht schlecht auszusehen mit dem Denkmalschutz für die alte Lady! Wer kann auch bei so einer Beschreibung widerstehen?

Die Schlagmühle zu Frischborn

Im Sommer 2018 wurden wir Besitzer der Schlagmühle zu Frischborn, die am Zusammenfluss von Lauter und Mühlbach zwischen Waldschlösschen und Frischborn liegt.

Obwohl die Schlagmühle in der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, „Stadt Lauterbach“, unter „Ortsteil Frischborn“ erwähnt und abgebildet ist, ergab unser Anruf beim Landesamt für Denkmalpflege, Außenstelle Marburg, dass sie als Denkmal nicht gelistet ist.

Historische Funktionen der Schlagmühle

In der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, „Stadt Lauterbach“, ist zu lesen: „Im Außenbereich [von Frischborn] ist abgesehen von der 1756 unterhalb des Dorfes an der Lauter neu errichteten Schlagmühle noch der Auhof siedlungsgeschichtlich bemerkenswert.“[1]

„Schlagmühle bei Frischborn“, Zeichnung von Friedrich Bindewald (1862 – 1940)

Die Schlagmühle wurde wohl ursprünglich zur Ölgewinnung betrieben.[2] Für den Ort Frischborn war und ist die Schlagmühle so wichtig, dass der damals noch unbefestigte Weg vom Ort dorthin heute noch als befestigte Straße den Namen „Schlagmühlenweg“ trägt.

Blick aus der Obergasse zur Schlagmühle, 1880

Wann der Mühlenbetrieb in der Schlagmühle genau eingestellt wurde, konnten wir bislang noch nicht in Erfahrung bringen, aber spätestens in den frühen 1920er Jahren änderte sich die Nutzung von der Ölmühle zum Ort der Stromerzeugung durch Wasserkraft. Dazu lässt sich im Buch „Frischborn und seine Feuerwehr“ Folgendes lesen: „Im Gemeinderatsprotokoll vom Februar 1924 steht, dass die vorhandene Wasserkraft an der Schlagmühle […] ebenfalls zur Stromerzeugung genutzt werden soll. 1925 im Februar erhält Mauermeister Konrad Habermehl den Bauauftrag.“[3] Noch heute ist anhand alter Fotos nachvollziehbar, wo die neu gebaute Röhre das Wasser des Mühlbachs bis zum Anfang der 1950er Jahre zur Turbine geleitet hat. Metallene Reste der technischen Konstruktion aus dem „Lichthäuschen“ könnten sich noch im Außenbereich befinden.

Schlagmühle (Mitte) mit Lichthäuschen (rechts), ca. 1930

Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden etwa 400 Heimatvertriebene in Frischborn eine Unterkunft [4], einige davon auch in der Schlagmühle, wie uns mehrere Frischbörner:innen berichteten. Deren Eltern oder Großeltern waren entweder für Monate oder gar Jahre familienweise in einem der Zimmer untergebracht oder wurden sogar dort geboren. Viele sind über ihre Erinnerungen immer noch mit der Schlagmühle verbunden.

Die Schlagmühle 1961

Besonderheiten in der Bauart

Unsere (laienhaften) Erkenntnisse bisher sind: Die Schlagmühle ist 1756 als giebelseitig erschlossenes Fachwerkgebäude im Stockwerkbau zweigeschossig errichtet worden. Das Obergeschoss und der Giebel kragen aus. An der nördlichen Giebelseite und der östlichen Traufseite sind zweifach verriegelte Mann-Figuren ausgebildet, wie sie im Frischbörner Ortskern oft zu sehen sind. Die westliche Traufseite ist verschindelt. Eine Geschossschwelleninschrift ist vorhanden, aber durch die Verlattung der später angebrachten Sauerkrautplatten aktuell nicht lesbar.

Eröffnete Verkleidung an der Giebelseite, Juli 2021

Als bauartliche Besonderheit wurde, wohl um 1880, wie Zimmermeister Clemens Schneider uns sagte, unter dem ursprünglichen Dachstuhl eine Art Galgenstruktur erbaut, vermutlich um den darunter befindlichen Deckenbalken mit einer Eisenstange nach oben abzuhängen und so ein Brechen zu verhindern.

Durchgebogener Deckenbalken
„Galgenkonstruktion“ unter dem Dachstuhl

Warum finden wir, dass unsere alte Mühle besonders schützenswert ist

Als wir im Sommer 2018 die Mühle zum ersten Mal sahen, wussten wir außer dem Namen „Schlagmühle“ und dass es sich um ein älteres Fachwerkgebäude handeln sollte… nichts. Da wir aber vorher schon interessiert an Fachwerkbauten waren, waren wir sehr verwundert, um nicht zu sagen erschüttert, wie sich die Schlagmühle präsentierte:

Westseite der Schlagmühle
Ost- und Nordseite der Schlagmühle

Vom Fachwerk war, bis auf die Eckständer im ersten Stock, nichts zu sehen. Die Westseite ist ortstypisch verschindelt, aber verputzte Sauerkrautplatten im Erdgeschoss und eine Holzverkleidung im ersten Stock auf Ost- und Nordseite lassen ein wunderschönes, aufwendiges Fachwerk dastehen wie eine Jagdhütte aus den 1960er Jahren. Heute vermuten wir, dass die Verkleidung auf Ost- und Nordseite nur dazu dienen sollte, Schäden an Fachwerk und Gefachen „unsichtbar“ zu machen.

Aber kein Denkmal aus dem Jahr 1756 verdient es, so versteckt und abgeschlossen unter einer Verkleidung zu verfallen.

Sicher ist nicht jede/r unserer Meinung, aber nachdem wir das Anwesen erworben und die Zeichnung aus den 1880er Jahren gesehen hatten, war uns klar, dass unsere alte Mühle aufgrund ihrer geschichtlichen und bauartlichen Besonderheiten restauriert und wiederbelebt werden muss. Auch wenn einige der historischen Funktionen, als Schlagmühle oder später als Ort der Stromerzeugung durch Wasserkraft, schon lange nicht mehr wahrgenommen werden und auch nicht mehr erkennbar sind, handelt es sich um ein wertvolles und für den Ort prägendes Bauwerk.

Wenn man den heutigen Zustand und die baulichen Änderungen der letzten Jahrzehnte betrachtet, erscheint es uns als äußerst wichtig, dass dieses Denkmal in Zukunft besonders geschützt wird. Nur so können weitere „Verschönerungen“ verhindert und der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden.

Deshalb würden wir uns sehr über einen Vor-Ort-Termin mit den Verantwortlichen von Kreis und / oder Land freuen, bei dem wir persönlich über unser Anliegen sprechen könnten.

Frischborn, 29.07.2021

Sabine Ninnsger                                                    Klaus Hess


[1] Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen, Stadt Lauterbach (Hessen), Landesamt für Denkmalpflege, Wiesbaden 2007, S. 317

[2] Frischborn und seine Feuerwehr, Geschichte & Geschichten, 1883-2008, Verein Freiwillige Feuerwehr Frischborn e.V., Vulkandruck Lauterbach GmbH, 2008, S. 30

[3] Ebenda, S. 25

[4] Ebenda, S. 50